Elternbegleitung als ergänzendes Angebot in der Familienberatung

Elternbegleitung als ergänzendes Angebot in der Familienberatung

… das Modellprojekt aus Sicht der Elternbegleiterin

Im Frühjahr 2014 wurde ich von der der Erziehungs- und Familienberatungsstelle des Caritasverbandes in Berlin-Mitte angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, auf Honorarbasis als Elternbegleiterin mitzuarbeiten. Den Kontakt vermittelte „meine Dozentin“ aus der Weiterqualifizierung. Eingebettet war meine Tätigkeit in dem Modellprojekt der Erziehungs- und Familienberatungsstelle des Caritasverbandes in Berlin-Mitte und der AKF-Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung e. V., Bonn, die meine Arbeit anteilig finanzierten.
Exemplarisch möchte ich hier vier Beispiele aus meiner Praxis als Elternbegleiterin schildern.

Juli 2014 – Familie Z., Sohn 8 Jahre alt

Die Familie befindet sich bereits wegen einer Schulproblematik im Beratungsprozess bei Frau Schäfer in der EFB.
Kurz vor Beginn der Sommerferien wurde ich der Mutter und dem Kind vorgestellt und verschaffte mir einen Überblick zur derzeitigen Situation, insbesondere über die familiäre Belastungssituation aufgrund der angespannten Schulsituation. Mit Blick auf die anstehenden Sommerferien lief es in der Familie gerade etwas entspannter. Die Familie bekam mit der Vorstellung der Elternbegleitung die Option auf unmittelbare Unterstützung und das Angebot der telefonischen Erreichbarkeit in Krisensituationen. Sowohl der Junge als auch die Eltern fühlten sich ernstgenommen und erhielten ein konkretes Hilfsangebot, welches offensichtlich zur Entlastung beigetragen hat.

Juli 2014 – August 2014 – Familie Y, Sohn 6 Jahre alt

Mitte der Sommerferien war unklar, in welche Schule der Sohn der Familie eingeschult wird.
Erschwerend war die Zeitproblematik bez. der Beendigung der Klagefrist.
Im Vorfeld sollte der Sohn aus Sicht des Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) von der Beschulung noch ein Jahr zurückgestellt werden. Die Mutter wehrte sich erfolgreich gegen die Rückstellung.
Die Schule im Einzugsgebiet entsprach jedoch nicht den Vorstellungen der Eltern. Die Familie stellte einen Antrag für ihre Wunschschule.
Eine aktuell zugewiesene Schule war für die Familie inakzeptabel, da diese zu weit weg war. Ein Widerspruch war nicht mehr zulässig.
Telefonisch erfolgten die ersten Kontakte, bei denen mögliche Optionen durchgegangen und Ideen der Familie gesammelt wurden:

  • Klagefristverlängerung beantragen, um Klage einzureichen
  • evtl. Befürwortung des Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) einholen für Schule im Einzugsgebiet
  • ückstellung wieder in Kraft setzen / Problem Kitaplatz

Einige Tage später lernte ich die Familie in deren Wohnung persönlich kennen. Wir sichteten und ordneten gemeinsam die Unterlagen. Schließlich telefonierten wir mit einem Anwalt und ließen uns bzgl. einer Klage beraten. (Prozesskostenbeihilfe war bereits bewilligt.) Ich begleitete die Eltern zum KJGD, wo wir allerdings keine Unterstützung erhielten.
Die Familie klagte erfolgreich und der Sohn erhielt einen Platz an der gewünschten Grundschule.
Es erfolgte weiterhin eine telefonische Begleitung mit folgenden Inhalten: Kontakt zur Lehrerin herstellen, Schulbücher ordern, Hortplatz beantragen, Ablauf der Einschulungsfeier.

August 2014 – kroatische Familie mit 6 Kindern

Die Kontaktaufnahme erfolgte über den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD), der mich von einer Begleitung einer anderen Familie kannte.
Problematik: Die Zahlung des Kindergeldes stand seit Monaten aus, obwohl die Familie bereits, mit Hilfe des KJGD, mehrere Anträge gestellt hatte. Allerdings war beim Amt kein Antrag auffindbar.
Kurzfristig nahm ich Kontakt zur Familie auf und begleitete die Mutter zur Kindergeldstelle. Auf mein Drängen und nach Aufhebung der Sprachbarriere wurde nach den Anträgen recherchiert und wir wurden schließlich zu einer Sachbearbeiterin vorgelassen. Die Problematik konnte geklärt werden und die Familie stand nun wieder im Kindergeldbezug.
Die Mutter berichtete auch vom fehlenden Schulplatz für ihre Tochter, da ein Wechsel auf eine weiterführende Schule mit dem Bezug einer neuen Wohnung zusammenfiel.
Des Weiteren war die Neubeantragung eines Kita-Gutscheins erforderlich.
Es erfolgte eine Begleitung zum Schulamt und die Beantragung bei der Kitagutscheinstelle.
Im Anschluss erfolgte kein weiterer persönlicher Kontakt zur Familie, da sie trotz Bemühungen nicht mehr erreichbar waren.

September 2014 bis Dezember 2014 – Familie K.

Das Erstgespräch mit den Eltern erfolgte zusammen mit Frau Schäfer von der Erziehungs- und Familienberatungsstelle, in deren Räumlichkeiten.
Da die Familie eine alternative Räumlichkeit bevorzugte, fand auch das zweite Gespräch mit dem Sohn in der Beratungsstelle statt.
Der Sohn, 11 Jahre alt, besucht die 6. Klasse einer Gemeinschaftsschule und ist, nach Aussage der Eltern, sehr belastet durch seine leistungsorientierte Lehrerin. Ich habe mich ihm als Kinderbegleiterin vorgestellt!
Im Gespräch wurde die Situation der Familie dargelegt und es erfolgte ein Abgleich, welche Wünsche der Sohn und welche Wünsche die Eltern an die Elternbegleitung haben.
Wir sammelten gemeinsam Ideen, wie die Eltern mit ihrem Sohn das Problem selbstwirksam angehen können. So überlegten sie, erst einmal:

  • mit der Lehrerin ein Gespräch zu führen, erst die Eltern allein, dann mit dem Sohn
  • die Unzufriedenheit der Klasse zu besprechen und ggf. den Klassensprecher oder den Vertrauenslehrer hinzuziehen

Ich bot der Familie und im Besonderen dem Sohn meine Unterstützung in Form von Telefonkontakten, weiteren Treffen zur Entlastung und Ideenaustausch sowie (falls er das wünscht) eine Hospitation in der Schule an. Seither erfolgten lediglich telefonische Kontakte zu den Eltern. Sie entschlossen sich schließlich, nach mehreren Lehrergesprächen für einen Schulwechsel ihres Sohnes am Schuljahresende.

Auswertung

Die Begleitung der Eltern und Kinder erfolgte sehr zeitnah – aus einem akuten und aktuellen Bedarf heraus. Das bedeutete, dass sehr schnell ein Kontakt und eine Beziehung zwischen den Eltern und mir als Elternbegleiterin hergestellt werden musste. Die Erziehungs- und Familienberatungsstelle hatte dabei eine gewisse Scharnierfunktion. 
Als erstes stand die Auftragsklärung für mich als Elternbegleiterin im Fokus. Durch das Verstehen der Zusammenhänge und im Einfühlen in die Situation, wurde abgeklärt, ob im jeweiligen Fall eine niedrigschwellige Elternbegleitung leistbar ist.
Es wurden Informationen zusammengetragen und gemeinsam mit den Eltern ihre Optionen herausgearbeitet und sortiert. Ziel war es stets, ihr Gefühl von Handlungsfähigkeit zu stärken bzw. zu aktivieren, um dann gemeinsam weitere Wege zu beschreiten. Gemeinsam wurden Kontakte zu Institutionen aufgenommen und durch die Begleitung der Eltern eventuell bestehende Hemmschwellen abgebaut. Ich hatte eine gewisse Mittlerposition inne, durch die ggf. Sprach- und Verständnisbarrieren abgebaut werden konnten.

Das Angebot der Elternbegleitung konnte eine zeitnahe und niedrigschwellige Unterstützung ermöglichen, die auch aufsuchend erfolgte. Eine derartige aktive Begleitung der Eltern ist für die MitarbeiterInnen der Erziehungs- und Familienberatungsstelle nur schwer realisierbar bzw. konzeptionell nicht vorgesehen. Im Vergleich zu anderen Beratungsformen kann die Elternbegleitung unbürokratisch und ohne Altersbeschränkungen der Kinder zum Einsatz kommen. Durch dieses Angebot konnte letztlich das Familiensystem entlastet werden und auch präventiv unterstützen.
Besonders in der Begleitung einer Familie wurde deutlich, dass Elternbegleitung immer auch Kinderbegleitung ist.

Berlin, Januar 2015
Gabriele Grunow
Elternbegleiterin

Ein Modellprojekt der Erziehungs- und Familienberatungsstelle des Caritasverbandes in Berlin-Mitte und der AKF-Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung e. V.

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